Top-Level-Domain .DD

Viele falsche Geschichten und Gerüchte ranken sich um die Top-Level-Domain .DD, die einmal für die DDR, die Deutsche Demokratische Republik, vorgesehen war. Noch heute findet man bei Suchmaschinen diverse Berichte und Erzählungen von Personen, doch über die wirkliche Verwendung der Top-Level-Domain .DD schweigen sich diese größtenteils aus. Daher habe ich mich bereits im Jahr 2008 selbst auf die Suche nach Zeitzeugen begeben...

Erst einmal ist es ganz wichtig zu betonen, dass das Ende der Deutschen Demokratischen Republik nun mehr als 33 Jahre zurückliegt. Seit damals ist viel geschehen, so manche Erinnerung ist verblasst oder verschwommen, mancher Administrator von damals ist seitdem sogar gestorben. Und je mehr wir uns vom Ende der DDR entfernen, um so stärker breiten sich die Gerüchte, Mythen und die Erzählungen aus und desto schwerer wird es, die Wahrheit über die Top-Level-Domain .DD zu erfahren.

Warum gab es überhaupt eine Top-Level-Domain .DD für die Deutsche Demokratische Republik? Warum gab es zwei Top-Level-Domain – die .DD und .DE? Hatte man nach der deutsch-deutschen Wiedervereingung die Wahl zwischen den Top-Level-Domains .DD und .DE? Die Internationale Organisation für Standardisierung (ISO) vergibt für jedes Land ein Kürzel, das z.B. bei ISO 3166-1 alpha-2 aus zwei Zeichen besteht. Die damals für die Vergabe und Zuweisung von Top-Level-Domains alleinig zuständige Internet Assigned Numbers Authority (IANA) hat sich an diesem Standard orientiert. Der ISO-Standard 3166 wurde 1974 erstmals eingeführt und für die Deutsche Demokratische Republik wurde gemäß „ISO 3166-1 alpha-3“ der dreistellige Ländercode „DDR“ und gemäß „ISO 3166-1 alpha-2“ der zweistellige Ländercode „DD“ hinterlegt. Am 30. Oktober 1990 wurde mit der Veröffentlichung des „Newsletter III-13“ mitgeteilt, dass durch die Zusammenführung der DDR mit der Bundesrepublik Deutschland auch der Ländercode „DD“ durch „DE“ ersetzt wird. Dadurch war die Top-Level-Domain zu jeder Zeit anhand der Länderbezeichnung strukturiert festgelegt.

Ein sich hartnäckig haltendes Gerücht ist, dass die DENIC eG, die zentrale Registrierungsstelle für alle Domains unterhalb der Top-Level-Domain .DE, auch eine zeitlang die Top-Level-Domain .DD verwaltet hat bzw. es sogar noch heute tut: Das ist aber völliger Unsinn und sollte einfach nur als falsch verbucht werden. „Die DENIC hatte mit .dd niemals etwas zu tun, da sie ja erst in den 90er Jahren gegründet wurde und das zweibuchstabige Länderkürzel dd im Oktober 1990 mit der Wiedervereinigung aus dem Verkehr gezogen wurde.“ – so Klaus Herzig von der Pressestelle der DENIC eG aus Frankfurt am Main in einer E-Mail. Die DENIC eG wurde zum 17. Dezember 1996 gegründet und verwaltet die Top-Level-Domain .DE seit dem 1. Januar 1999 vollständig. Davor wurde die Top-Level-Domain .DE ab 1986 durch die Informatikrechner-Betriebsgruppe der Universität Dortmund verwaltet, dieser Dienst wurde spätestens ab 1991 als „DENIC“ bezeichnet. Im August 1993 entstand durch die Initiative dreier deutscher Internetdienstanbieter (DFN, EUnet und XLINK) der IV-DENIC; der Betrieb erfolgte auftragsbezogen zwischen Januar 1994 und August 1998 durch das Rechenzentrum der Universität Karlsruhe.

War die Top-Level-Domain .DD jemals in den DNS-Rootservern der IANA eingetragen, also delegiert und dadurch im Internet verfügbar? Nein – die einzig richtige Antwort. Die IANA wurde erst 1990 als solches gegründet und bestand sowohl davor als auch längere Zeit danach aus einer einzigen Person: Jonathan Postel, der leider 1998 verstorben ist. „Fakt ist, dass die Topleveldomain .DD nie in den allgemein bekannten Root Name Servern eingetragen war.“ – so Heiko Schlichting von der Zentraleinrichtung für Datenverarbeitung (ZEDAT) der Freien Universität Berlin in einer E-Mail. Auch Lutz Donnerhacke, „Meister des DNSSEC“ und Mitarbeiter der IKS GmbH Jena, ist nicht bekannt, dass es jemals eine solche Delegation gegeben hätte, sagte er mir in einem Gespräch. Und der Artikel „Internet in der damaligen DDR?“ bestätigt dies zudem ebenfalls ganz klar.

Aber es gab doch laut diesem Mailinglisten-Beitrag und gemäß diesen Usenet-Einträgen die Domain „uni-jena.dd“! Ja, die gab es; sogar „rz.uni-jena.dd“ – jedoch nur intern und damit ausschließlich innerhalb der Uni Jena. „Für einen beginnenden Studenden mit einer uni-jena.dd Adresse erscheint vieles anders als es viel später recherchierbar ist“, äußerte sich Lutz Donnerhacke im August 2008 dazu und weiter erzählte er, „Für den internen Gebrauch in Jena und Dresden wurde dd benutzt“. Die Benutzung einer beliebigen Top-Level-Domain auf eigenen Nameservern ist natürlich noch heute möglich und kann verständlicherweise leicht zu Verwechslungen oder Missverständnissen führen.

Heiko Schlichting erinnert sich: „Das Ende des Staates DDR kam zu einem Zeitpunkt, wo auch noch nicht alle Universitäten im Westen IP genutzt haben. Leitungen zwischen Ost und West waren selten, teuer und marode. Kenntnisse und Hardware erst im Aufbau. Die einzige Standleitung gab es zwischen FU und HU (mit X.25 Technik). Die wäre zwar IP-fähig gewesen, wurde aber nicht für IP genutzt, sondern vor allem für X.400 basierte Mail- und FTAM-Dateitransfer“. Selbst wenn wir heute denken, IP „schon ewig“ sprechen, „aber in Wirklichkeit haben wir 130.133.0.0/16 erst seit 1989 und Mails per UUCP via X.25 transportiert“, erzählt er und setzt fort, „Aus heutiger Sicht ärgere ich mich darüber, weil mir das damals keine Mühe bereitet hätte, Verwalter einer Topleveldomain zu werden, wo schon die einzige (Stand-)Leitung bei uns endete. Aber die Chance habe ich leider vertan“. Und: „RfC Netze waren in der DDR nicht opportun. Bis auf Jena und Dresden haben alle brav X.25 und Co. gemacht. Für E-Mail also X.400. Kein Bedarf für dd“, erläutert mir Lutz Donnerhacke.

„Einige Privatleute waren sehr aktiv (ganz zu Anfang sogar mit Rechnern von Robotron), insbesondere in Magdeburg, Jena und Ost-Berlin. Diese Aktiven haben ‚boerde.de‘ und ‚thur.de‘ als Teil des Individual-Networks (IN) aufgebaut und haben zunächst hauptsächlich via methan.chemie.fu-berlin.de eine Außenanbindung gehabt. Via UUCP und Modem versteht sich. Das wurde auf unserer Seite damals sogar von der GUUG mit Hardware gefördert. Natürlich gab es auch noch andere UUCP-Links per Modem. IP wurde aber noch nicht genutzt – jedenfalls nicht in einer Weise, wie man es heute verstehen würde.“ – eine weitere interessante Information von Heiko Schlichting...genau wie bei einer Domain-Registration: „Wenn ich mich allerdings an sein chaotischen Büro erinnere (die Domain ‚fu-berlin.de‘ und ‚in-berlin.de‘ haben wir tatsächlich persönlich mit einer Fahrt nach Dortmund bei ihm beantragt!), bezweifle ich, dass er [Rüdiger Volk] dazu noch Unterlagen hat.“

Zusammenfassend bleibt also zu sagen, dass die Top-Level-Domain .DD niemals verwendet worden ist, sieht man vom ausschließlich internen Gebrauch einiger ostdeutschen Universitäten ab. Meinen besonderen Dank möchte ich an dieser Stelle noch an Heiko Schlichting von der Freien Universität Berlin richten, der für mich in seiner Mailbox wohl so manche alte E-Mail ausfindig gemacht und meine ganzen Fragen geduldig beantwortet hat.